Blockseminar »Illusionen der Allmacht. Deutsches Planen und Bauen im besetzten Polen 1939–1945« in Halle (7./8. Juni 2024) und Poznań (28.–30. Juni 2024)
Am 7. Und 8. Juni 2024 fand der erste, theoretische Teil des Blockseminars »Illusionen der Allmacht. Deutsches Planen und Bauen im besetzten Polen 1939–1945« mit unserer DAAD-Gastdozentin Aleksandra Paradowska von der Magdalena-Abakanowicz-Kunsthochschule statt. An zwei produktiven Tagen auf dem Steintor-Campus der Uni Halle arbeiteten sich die Studierenden der Polenstudien, Kunstgeschichte und Geschichte in die NS-Raumplanung in Deutschland und Polen während des Zweiten Weltkriegs. Dabei ging es einerseits um die Umgestaltung sowie den Neubau von Städten und andererseits um das Schaffen von Raum für deutsche Siedler:innen durch den Aufbau von Dörfern. Außerdem sprachen wir über den Einfluss der Okkupanten auf das polnische Landschaftsbild, die Gestaltung von Innenräumen durch nationalsozialistisches Design und schließlich um den Umgang mit dem NS-Erbe nach 1945 – vor allem am Beispiel des Kaiserschlosses in Poznań.
Vom 28. bis 30. Juni 2024 fand der zweite, praktische Teil des Blockseminars statt. Für die Teilnehmer:innen ging es für zwei Tage nach Poznań, um die Spuren deutschen Bauens in der polnischen Stadt untersuchen zu können. Dank der Initiative von Dr. Paradowska konnten wir während unseres Aufenthalts in den Gästeräumen des Centrum Kultury ZAMEK unterkommen, die sich in der Masztalarnia, also dem ehemaligen Wohn- und Arbeitskomplex der Bediensteten des Kaiserschlosses, befinden.
Gleich nach unserer Ankunft in Poznań bekamen wir eine Führung durch das Kaiserschloss, welches ein Schwerpunkt unseres Blockseminars war. Bartosz Wiśniewski, ein Mitarbeiter des Centrum Kultury ZAMEK, führte uns durch die Schlossanlage und erläuterte die Geschichte des Baus, welcher 1905-1913 für Kaiser Wilhelm II. erschaffen und 1939-1945 von den Nationalsozialisten zur Residenz Adolf Hitlers sowie des Gauleiters im Wartheland, Arthur Greiser, umgebaut wurde. Somit ist das Schloss ein doppeltes Symbol deutscher Okkupation in Polen. Heute werden die Räumlichkeiten vom Kulturzentrum sowie zahlreichen weiteren Institutionen genutzt.
Im Anschluss an die Schlossführung begleitete uns Dr. Paradowska durch die Altstadt von Poznań, wo wir die nationalsozialistischen Umbaupläne besprachen, das leerstehende Gebäude der ehemaligen Synagoge begutachteten und das Zusammenspiel der polnischen und deutschen repräsentativen Bauten auf dem Plac Wolności diskutierten, zu den u.a. die Raczyński-Bibliothek und das Gebäude des Nationalmuseums gehören.
Am folgenden Tag machten wir uns auf den Weg zum Fort VII, einer preußischen Festungsanlage aus dem 19. Jh., welche ab 1939 unter anderem als Konzentrationslager genutzt wurde, in dem Mitglieder der polnischen Intelligenz gefangen gehalten und ermordet wurden. In der Gaskammer des Lagers wurden außerdem Personen aus umliegenden psychiatrischen Institutionen ihres Lebens beraubt. Heute befindet sich auf dem Gelände das Muzeum Martyrologii Wielkopolan.
Anschließend wanderten wir zum Jezioro Rusałka (Elsensee), welcher während des II. Weltkriegs von jüdischen Gefangenen durch das manuelle Abtragen von Erde und das Verbinden mehrerer Teiche mit einem naheliegenden Bach erschaffen wurde. Für die Befestigung des Untergrunds wurden Grabsteine vom jüdischen Friedhof verwendet, die teilweise bis heute im Wasser gefunden werden können.
Den letzten Punkt des Tages bildete eine Besichtigung mehrerer Gebäude im Schlossviertel, das zu Beginn des 20. Jh. nach dem Abbau der mittelalterlichen Stadtmauern entstehen konnte. Dazu gehören bspw. das Kaiserschloss sowie einige Gebäude der Adam-Mickiewicz-Universität, wie z.B. das Collegium Maius, welches ursprünglich als Hauptsitz der preußischen Ansiedlungskommission konzipiert wurde, und das Collegium Minus, welches bis 1919 die preußische Königliche Akademie zu Posen beherbergte.
Im Verlauf der Exkursion lernten wir sehr viel über die deutsch-polnische Geschichte der Stadt Poznań und darüber, wie die städtische Architektur diese historischen und politischen Verflechtungen widerspiegelt. Ein unerwarteter Bonus dieser Tage waren die im Hintergrund stattfindenden Feierlichkeiten anlässlich der Poznań Pride, die teilweise direkt im Kaiserschloss stattfanden, was uns direkt zeigte, wie heutzutage mit dem vielleicht etwas problematischen architektonischen Erbe der deutschen Okkupation umgegangen werden kann.
Trotz des intensiven Programms, das die zwei Tage vor Ort fast vollständig füllte, fanden wir immer wieder Zeit für gemeinsame Momente in Cafés und Restaurants, um die polnische Küche zu genießen und die Fülle neuer Erfahrungen zu besprechen und zu verarbeiten. Abends machten wir Spaziergänge zum Park Cytadela oder nahmen an den Pride-Feierlichkeiten teil, welche direkt unterhalb unserer Unterkunft stattfanden. Auf der Heimreise bewerteten wir dieses Wochenende einstimmig als eine sehr bereichernde Zeit, was vor allem mit dem Engagement unserer Gastdozentin, Aleksandra Paradowska, zusammenhing.
Text & Bilder: Marta Bartkowska, Masterstudentin der Kunstgeschichte & Interdisziplinären Polenstudien


Die Exkursion wurde gefördert vom DAAD
