Posen 2014
Exkursion nach Poznań/Posen (26.–29. März 2014)
Im Rahmen des im Wintersemester 2013/14 am Aleksander-Brückner-Zentrum eröffneten Masterstudiengangs „Interdisziplinäre Polenstudien“ boten Dr. Karsten Holste (Osteuropäische Geschichte) und Dr. Damien Tricoire (Geschichte der Frühen Neuzeit) eine Übung zu „Erinnerungsorten in Poznań/Posen“ an. Die Veranstaltung schlossen sie mit einer viertägigen Exkursion nach Poznań ab, die von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und der Fakultät großzügig finanziell unterstützt wurde. Neben Studierenden der Polenstudien nahmen an Übung und Exkursion auch Studentinnen und Studenten des Bachelor- und Masterstudiengangs Geschichte aus Halle und Jena teil.
Die Lehrveranstaltung widmete sich den verschiedenen Epochen der Stadtgeschichte und ihrem Niederschlag in der Stadtgestalt und -architektur. Besonders im Fokus stand die Aneignung, Umdeutung und Umformung älterer Bausubstanz im Zeichen des neuzeitlichen Nationalitätenkampfs. So erinnern Überreste auf der Dominsel daran, dass sich dort ein Ausgangspunkt von mittelalterlicher Herrschaftsverdichtung und Christianisierung im Gebiet des heutigen Polens befand, während Einbauten des 19. Jahrhunderts und Umbauten des 20. Jahrhunderts den Dom zum Ursprungsort der polnischen Nation stilisieren. Die regelmäßige Anlage der Altstadt zeugt vom Stadtausbau im Zuge der Verleihung des magdeburgischen Stadtrechtes im späten Mittelalter und erinnert an die damit einhergehende Niederlassung deutschsprachiger Händler und Handwerker. Gebäude der preußisch-deutschen Verwaltung und polnischer Institutionen machen den Nationalitätenkonflikt des 19. und 20. Jahrhunderts anschaulich; Umbauten der Jahre 1939–1945 verweisen auf das deutsche Besatzungsregime im Zweiten Weltkrieg. Die oft neuen, aber alt anmutenden Formen, die beim Wiederaufbau der Stadt nach der Zerstörung von 1945 gewählt wurden, verdeutlichen die Bemühungen um eine vollständige (Re-)Polonisierung des Stadtbildes. Dessen bis heute andauernde Umgestaltung zeugt sowohl vom schwierigen Umgang mit dem historischen Erbe, als auch von der anhaltenden Konkurrenz polnischer Großstädte um eine Rolle als kulturelles und touristisches Zentrum.
An der Exkursion nach Poznań beteiligten sich – organisiert von Frau Prof. Dr. Zabłocka-Kos (Institut für Kunstgeschichte, Universität Wrocław) – Studierende und Doktorand/innen der Universität Wrocław. Die Teilnehmer/innen aus Halle und Wrocław bildeten gemischte Gruppen und übernahmen nach gemeinsamer Vorbereitung am ersten Exkursionstag die Führung durch die verschieden Teile der Stadt. Ergänzt wurde das Programm durch einen Ausflug nach zum Schloss Kórnik und zum leider nur von außen zu besichtigenden Schlosspark von Rogalin. Den letzten Tag konnten die Teilnehmer/innen aus Halle zur eigenständigen Erkundung der Stadt und ihrer Museen nutzen.
Die Vermittlung (kunst-)historischen Wissens und die Förderung von Kontakten zwischen deutschen und polnischen Studierenden stießen unter den Exkursionsteilnehmer/innen offenbar auf positive Resonanz. Dies schlug sich vor allem in intensiver Beteiligung und Mitarbeit der Studierenden nieder, für die an dieser Stelle noch einmal gedankt sei.
Ein polnischer Bericht über die Exkursion erscheint in der Vierteljahresschrift des Institutes für Kunstgeschichte der Universität Wrocław Quart. Abschließend einige Kommentare der Studierenden aus Halle, die auch für zukünftige Exkursionen hilfreich sein können:
„Ohne Zweifel: Im Königsschloss konzentrieren sich die Fragestellungen des Seminars. Hier trifft innerpolnisches Konkurrenzdenken auf Posener Identitätssuche und beide auf nicht vergehen wollende deutsch-polnische Geschichte. Spätestens als die Rede auf Erika Steinbach kam und die deutschen Studenten fragend die Stirn runzelten, die polnischen Kollegen dagegen mit den Augen rollten, zeigte sich, dass die deutsch-polnische Geschichte eine ist, die noch qualmt, oder, um bildlich beim Königsschloss zu bleiben, ein Großprojekt, auf dem sich der Baustaub noch nicht gelegt hat. Doch die Posener sind nicht in der Geschichte, die sie umgibt, stecken geblieben. Wir haben eine moderne, junge Stadt kennen gelernt, mit vielen kleinen Läden, Musik an allen Ecken und offenen, freundlichen Bewohnern. Die Zusammenarbeit mit unseren polnischen Kollegen war von einem herzlichen Umgang und gegenseitigem Interesse geprägt. Und schlussendlich ist auch das ein Verdienst des Seminars: Die Erkenntnis, dass ein gemeinsames „Wässerchen“ an der Theke einer Posener Kneipe manchmal der beste Weg ist, um einen Nachbarn näher kennen zu lernen, und es dabei hilfreich sein kann, für eine Stunde nur oder zwei, die Geschichte einfach mal Geschichte sein zu lassen.“ (Urban Comploj)
„Diese kurze, aber sehr informative und kurzweilige Reise nach Posen war eine tolle Erfahrung und auch eine wunderbare Möglichkeit, ein Nachbarland, dass doch in vielerlei Hinsicht bis heute eng mit Deutschland verwoben ist, (neu oder auch überhaupt) kennen zu lernen. […] Insbesondere auch das Aufeinandertreffen zwischen polnischen und deutschen Studenten ist als sehr positiver Aspekt der Exkursion hervorzuheben. Dadurch entstand nicht nur fachlich eine erweiterte Dynamik, da der Input aus polnischer Sicht neue Impulse brachte. Auch in der fachunspezifischen Kommunikation konnte sich der polnischen Kultur und Gesellschaft, vor allem dem zeitgenössischem Denken angenähert werden – besonders im Hinblick auf die deutsch-polnische Vergangenheit eine gute Sache!“
Eine Anregung vielleicht in Bezug auf die Art der Wissensvermittlung: Statt der Frontal-Referats-Situation […] wäre eine offenere Wissensvermittlung, z.B. in Form der individuellen Recherche anhand der Architektur vor Ort (evt. Gruppenaufgaben nach Art einer anspruchsvolleren Stadtrallye) einmal interessant und würde den sonst geistig ja sehr anspruchsvollen Tag auflockern.“ (Franziska Waßmann/Carolin Engler)
„An dieser Stelle sei die offene und sympathische Art unserer Nachbarn hervorgehoben. Die Zusammenarbeit war angenehm, spannend und produktiv. Darüber hinaus haben wir in entspannter Runde nicht nur die verwendete Forschungsliteratur [...] für die Präsentation verglichen, sondern hatten die Chance, in unserer Freizeit über weitere Themen zu reden, beispielsweise über die Bildungssysteme und universitäre Strukturen.“ (Anne Büchle, Ilja Claus, Stefanie Lyhme)
„Die Objekte, die wir vorzustellen hatten, hatten wir bis dato ja noch nie live und im Stadtbild gesehen. Von der Wirkungsabsicht, die wir zu erklären hatten, wurde uns erst in diesem Moment vieles in seiner Bezugnahme und Räumlichkeit bewusst. Gerade in einem vertraut wirkenden Gesamtbild wirkt Baupolitik subtiler als in der Sekundärliteratur, die man darüber liest.“ (Patrick Ulm)
„Dank der polnischen Kommilitonen konnte auch die Beziehung Polen-Deutschland auf privater Ebene geknüpft werden. Schon allein durch diese Uni-übergreifende Zusammenarbeit wurde die Exkursion zu einem sehr schönen Erlebnis.“ (Sarah Schieck)
„Die Erinnerungsorte und deren Hintergrund im Seminar theoretisch durchzusprechen, kann nur eine Seite der Medaille sein. Die andere Seite ist die sinnliche Erfahrung und die Erfassung von deren Wirksamkeit. Sie kann meines Erachtens nur vor Ort wahrgenommen werden und unsere Exkursion hat uns die Möglichkeit dazu eröffnet, beide Seiten zu erkennen. […] Wir waren in der Nähe der ‚anderen‘ Wiege Polens. Was den innerpolnischen Streit um die Deutungshoheit über die Frage der Geburtsstätte der polnischen Nation angeht, wäre der Vergleich vor Ort in Gnesen (Tagesausflug) interessant gewesen.“ (Clemens Dibow)
„Die Interessenskonflikte durch wechselnde territoriale Zugehörigkeit und die regionale Eigenständigkeit, welche die Bewohner einforderten, bildeten eine perspektivhaltige Diskussionsgrundlage. Ein weiterer sehr interessanter Aspekt war der Austausch mit polnischen Kommilitonen, durch den Informationen zur Stadtgeschichte, welche in der jeweils anderen Historiographie in den Hintergrund rücken, und Ergänzungen ausgetauscht werden konnten. Leider konnte dieser Austausch aufgrund des engen zeitlichen Rahmens nicht intensiviert werden.“ (Ken Kretschmer)
„Alles in allem war die Exkursion eine sehr positive Erfahrung. Posen ist ein Ort, der für mich besonders darum interessant geworden ist, da er mit so vielen polnischen, europäischen und weltpolitischen Ereignissen verknüpft war und ist. Durch den Austausch mit den polnischen Studenten erlangten wir zusätzliche interessante Informationen zur Geschichte Posens und Polens, aber auch über die Traditionen und Kultur und die Sicht der Jungen Generation auf all dies.“ (Pauline Szyltowski)