Warum ist Lettgallisch eine Sprache?
Gastvortrag von Nicole Nau (Poznań) am Donnerstag, dem 12. Dezember 2024, von 12:30 bis 14:00 Uhr, im SR 308 der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Carl-Zeiss-Str. 3, 07743 Jena)
Das im Osten von Lettland gesprochene Lettgallische wird heute von vielen als eine eigenständige Sprache angesehen, obwohl es keinen offiziellen Status hat und in Lettland als Varietät des Lettischen gilt. Aus dialektologischer Sicht lassen sich Hochlettisch, das auf dem Lettgallischen beruht, und Niederlettisch, zu dem das heutige Standardlettisch gehört, unterscheiden.
Der Vortrag beleuchtet, wieso sich Hoch- und Niederlettisch vom 17. bis ins 20. Jahrhundert unterschiedlich entwickelt haben und welche Besonderheiten in Sprachstruktur und Sprachgebrauch das heutige Lettgallisch vom Standardlettischen unterscheiden. Eine wichtige Rolle spielen dabei Einflüsse anderer Sprachen – für das Niederlettische vor allem Deutsch, für das Hochlettische verschiedene slawische Sprachen wie Polnisch oder Russisch, aber auch Schrifttraditionen, Religion, Sprachpolitik sowie regionale und nationale Identitäten der Menschen, die diese Sprachen verwenden.
Damit lädt der Vortrag dazu ein, eine der weniger bekannten Sprachen Europas kennenzulernen, sowie sich allgemein mit der Frage auseinanderzusetzen, wie eine Sprache definiert wird und für wen das wichtig ist.
Prof. Dr. Dr. h.c. Nicole Nau beschäftigt sich als Sprachwissenschaftlerin mit den baltischen Sprachen Lettisch und dem Lettgallisch. Sie studierte Allgemeine Sprachwissenschaft, Russistik und Informatik an den Universitäten Hamburg und Kiel. Derzeit lehrt sie und forscht an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen. Neben ihrer wissenschaftlichen Laufbahn ist sie als Übersetzerin tätig. Sie überträgt zeitgenössische lettische Prosa und Dichtung sowie lettgallische Märchen ins Deutsche. Ihre Übersetzungen lettischer Romane und Kurzgeschichten popularisiert sie auf ihrer Website lettland lesen.